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Fake News – wie wir sie bekämpfen und möglicherweise (unabsichtlich) verbreiten

September 21, 2020

Fake News – wie wir sie bekämpfen und möglicherweise (unabsichtlich) verbreiten

Der erste Entwurf dieses Artikels begann mit einem Zitat. Auch wenn das vielleicht ein sehr oft verwendeter Einstieg ist, halte ich es für einen durchaus effektiven. Das Zitat, welches ich gewählt habe, war sogar eines, das ich in der Vergangenheit schon mehrmals verwendet hatte – einmal als ich 2007 über die Gefahren der digitalen Kommunikation schrieb und einmal als ich 2010 über Reputationsmanagement in sozialen Medien diskutierte. Es enthält anschauliche sprachliche Bilder, ist leicht zu merken und lässt einen auf Partys clever wirken. Es muss also auch ein ziemlich vielseitiges Zitat sein, eines, das dem Anfang eines Artikels würdig ist.

Dann fiel mir ein, dass ich nicht einmal sagen kann, wer es zuerst gesagt hat.

Es ist nicht das erste Mal, dass mir das passiert. Zwei Tage vor der Abgabe meiner Diplomarbeit (einer eingehenden Analyse der politischen PR und Propaganda Otto von Bismarcks während der deutschen Einigungskriege – schreibt mich gerne an, wenn ihr das ausführlicher diskutieren wollt) erfuhr ich, dass das Zitat, mit dem ich die Arbeit begann, wahrscheinlich nicht einmal von Bismarck stammt! Ich ließ es trotzdem drin und fügte der Vollständigkeit halber hinzu, dass es Bismarck nur zugeschrieben wird.

Aber dieses Mal beschloss ich, darauf zu verzichten. Der Grund dafür ist, dass ich jemanden nicht fälschlicherweise für etwas preisen möchte, das er wahrscheinlich gerade nur von jemand anderem wiederholt hat. Ich wollte kein falsches Wissen verbreiten und einen von euch, liebe Leserinnen und Leser, dazu bringen, dieses großartige Zitat weiter zu erzählen, es aber der falschen Person zuzuschreiben, weil ihr es hier gelesen haben.

Dies wiederum bringt mich zum Thema Fake News.

Falsche Nachrichten als Konzept gibt es schon seit langer Zeit in verschiedenen Formen (sogar Bismarck wusste, wie man grandiose Kriegsgeschichten verwertet und das Vertrauen in politische Rivalen untergräbt) und es gibt eine Menge Artikel darüber, warum Menschen sowohl die Verbreitung unwahrer Geschichten als auch die Beschuldigung anderer, falsche Nachrichten zu verbreiten, nutzen. Es gibt mehrere Theorien, über die Hoffnung auf Aufmerksamkeit, finanziellem Vorteil oder Machtgewinn und darüber, warum die Demokratisierung der Medien im digitalen Zeitalter – paradoxerweise – die Verbreitung von Fake News erleichtert und ihre Entlarvung erschwert hat.

Ich werde den Beitrag deshalb über keines dieser Themen schreiben, sondern vielmehr etwas Licht auf den Umgang mit Fake News werfen – ein sehr reales Problem. (Und dann werde ich wahrscheinlich einen kleinen Abstecher in die obskure Geschichte der Kommunikation machen… Es wäre nicht mein Artikel, wenn er nicht irgendwo abdriftet.)

 

Gehen Sie direkt ins Gefängnis

Aus meiner Sicht sind zwei Blickwinkel auf dieses Thema besonders interessant:

  • Wie reagieren die Gesetzgebungsorgane auf die Verbreitung von Fake News, Verschwörungstheorien und Propaganda: Schränken sie diese ein oder verstärken sie diese sogar?
  • Wie reagieren Unternehmen auf die Verbreitung von Fake News, Verschwörungstheorien und Propaganda: Schränken sie diese ein oder verstärken sie diese sogar?

 

Die erste Frage hat bereits verschiedene Ebenen. Die meisten Menschen werden sie zunächst als eine rechtliche oder gesellschaftliche Frage betrachten, aber für Länder, die stark auf den Tourismus angewiesen sind, ist sie eine Frage des Überlebens. Denn während Unternehmen oder Einzelpersonen leicht kontrollieren können, was sie kommunizieren (einige entscheiden sich jedoch dafür, sich nicht selbst zu kontrollieren), werden Länder ohne Zensurinfrastruktur immer an den Worten der Menschen gemessen werden.

Die aktuelle Krise ist ein sehr gutes Beispiel – viele Touristen werden bald eine Entscheidung treffen, die darauf beruht, was sie als ein Land wahrnehmen, das a) eine gute Reaktion auf die Pandemie gezeigt hat und b) nicht hart getroffen wurde. Ersteres ist eigentlich eine eher subjektive Kategorie. Zum Beispiel stehen wir Deutschen der Reaktion unserer Regierung recht kritisch gegenüber, während unsere politische Führung in ausländischen Medien oft gelobt wird. Aber die zweite Kategorie basiert auf Fakten und Zahlen und kann daher objektiv betrachtet werden. Was dazu geführt hat, dass einige Länder – wie unser Kunde Belize – ein Gesetz erlassen haben, das Menschen, die Fehlinformationen verbreiten, haftbar macht.

Doch das ist keine Universallösung. In einigen Ländern wäre dies verfassungswidrig, selbst wenn es darauf beruht, dass auch objektiv falsche Informationen verbreitet werden. In Deutschland zum Beispiel wäre es nur möglich, Menschen in einem Zivilprozess zu verklagen, nicht aber, sie vor einem Strafgericht zu verfolgen. Es ist eine Gratwanderung zwischen dem Stoppen der Verbreitung von Fehlinformationen und der Wahrnehmung als repressives Regime – was ungefähr so schwer ist, wie es sich anhört und viel von der Gesamtkommunikation abhängt; davon, wie offen und prägnant man über die Krise kommuniziert und wie gut es gelingt, Aussagen mit Fakten zu untermauern.

 

“Listen, my children, and you shall hear”

Apropos Unterdrückungsregime: Das frühe Kolonialreich Großbritanniens (Ich habe Sie ja schon gewarnt, dass es historisch wird). Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg ist die Grundlage für viele Fallbeispiele über gescheiterte politische PR und Krisenkommunikation. Etwa eine, die uns zeigt, wie Fehlinformationen nicht immer absichtlich verbreitet werden und wie die Kampagnen, die wir jetzt starten wollen, die zukünftige Wahrnehmung stark beeinflussen könnten.

Lassen Sie uns also über Paul Revere und seinen berühmten „Midnight Ride“ sprechen. In den USA ist er als der Freiheitskämpfer bekannt, der mit seinem Pferd durch die Lande ritt, um die amerikanischen Milizen über das Eintreffen der britischen Kolonialtruppen zu warnen und gilt daher als einer der berühmtesten Volkshelden der Nation.

Aber die Amerikaner wissen zu großen Teilen nicht, dass Reveres Rolle gar nicht so groß war wie angenommen. Tatsächlich gab es weitere Reiter, die an diesem Abend ausritten, um die Revolutionäre in Lexington und Concord zu warnen. Revere selber wurde von den Briten festgenommen und hat seinen Ritt nicht einmal beendet.

Warum wurden aber die anderen Helden nie mit dem ihnen gebührendem Ruhm bedacht?

Nun, die Antwort lautet: „Revere“ reimt sich im Englischen auf „hear“.

Fast 100 Jahre später schrieb nämlich der amerikanische Dichter Henry Wadsworth Longfellow sein Gedicht „Paul Revere’s Ride“, das an das berühmte Unterfangen erinnert. Er interessierte sich nicht für historische Details, sondern brauchte ein Symbol des amerikanischen Heldentums – und dafür waren ihm eingängige Reime wichtiger als die gerechte Verteilung des Ruhmes.

Nebenbei bemerkt wäre Longfellows Großvater mütterlicherseits, Peleg Wadsworth, sicherlich kein Freund des Gedichts gewesen: dieser war mit Revere auf der katastrophalen Penobscot-Expedition und brachte ihn danach wegen Feigheit und Ungehorsam vor ein Kriegsgericht. Ironisch, nicht wahr?

Warum erteile ich komme ich aber auf gerade diese geschichtliche Kuriosität? Weil ich glaube, dass sie uns zeigt, welchen Einfluss wir mit unserer Kommunikation haben können, insbesondere während einer Krise und wie wichtig es ist, präzise zu sein. Longfellows Ziel war es, die patriotischen Gefühle und das Zusammengehörigkeitsgefühl in einem Land am Rande eines Bürgerkriegs zu verstärken; das ist ihm nicht gelungen. Aber gleichzeitig schrieb er im Grunde die Geschichte für die kommenden Generationen neu, ein Ergebnis, das er nicht kontrollieren konnte.

Das lernen wir daraus

Ich glaube fest daran, dass man aus der Geschichte lernen muss, um ihre Fehler zu vermeiden. Nun könnte man argumentieren, Longfellow hätte nie vorhersehen können, wie sein Gedicht die Geschichte beeinflussen würde, aber ich bin anderer Meinung. Die in diesem Artikel angeführten Beispiele – von der Frage, ob es in Ordnung ist, Menschen, die falsche Nachrichten verbreiten, strafrechtlich zu verfolgen, bis hin zu der seltsamen Geschichte über Paul Revere – drehen sich alle um das Thema des vorausschauenden Handelns. Und moderne PR/Marketing ist voller Beispiele, wo man sich fragt: „Warum haben die das nicht bis zum Ende durchdacht?“

Viel zu oft sehen wir Kampagnen, die sich auf eine laute Idee stützen, aber niemand hat über die Folgen nachgedacht – und das gilt besonders in der gegenwärtigen Krise. Zu viele Marken opfern, bildlich gesprochen, Fakten für einen guten Reim und riskieren, ihrem Ruf ernsthaft zu schaden. Gerade jetzt müssen Unternehmen sich darauf verlassen können, dass wir die Auswirkungen dessen, was wir kommunizieren, vorausdenken können.

Der Kampf gegen Fake News sollte daher, wo immer möglich, auf unserer Tagesordnung stehen. Einerseits geht es darum, den Menschen solide, faktengestützte Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sie sich informieren können. Aber es bedeutet auch, dass die Kommunikatoren besonders vorsichtig sein müssen, um auf dieser faktenbasierten Basis zu bleiben anstatt opportunistisch zu sein.

Oder um es mit dem griechischen Geschichtenerzählers Äsop zu sagen (und ich bin sicher, dieses Zitat stammt von ihm): „Was immer du tust, tu es klug und bedenke das Ende.“